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kreativ

Stotterst du nun, fragt Anna. Neee. Dieses kratzige Wort macht es mir nicht leicht. Es hört sich an wie das Gegenteil von dem wie es sich anfühlt. Kreativität als Bedürfnis einzuordnen ist ein weiterer Schritt auf meiner Identitätstreppe.

Du hast eine Identitätstreppe? Und? Gehst du hoch oder runter? Ist das so was wie die Karriereleiter? Gläserne Decke und so?

Selten hat Anna so viele Fragen. Es ist das glatte Gegenteil von Karriere. Die Treppe ist aus Luft. Karrieristen sehen sie nicht. Kreativität ist leicht, unsichtbar und manchmal so dick wie ein Fesselballon. Bläht sich in mir auf und verdrängt alles andere. Will ein Wort sein und zwar ein ganz bestimmtes. Ich suche es , forsche danach, rolle es auf der Zunge und wiege seine Leichtigkeit. Der Gedanke wird flüssig und fließt in den Bauch. Dort wird er wahr. Wenn der Bauch sich bläht vor Freude.

Dann steige ich auf. Verlasse die Gesetze der Schwerkraft und fliege. Aus dem Wort wird ein Satz und die Idee zieht mit einer Wolke wie ein Tropfen Regen. Jeden Moment kann er fallen. Auf fruchtbaren oder unfruchtbaren Boden. In die Wüste. Ins Meer. Auf einen Schrottplatz. Dort rostet er fest. Wenn ich Pech habe.

Anna lacht. Gefällt mir, sagt sie. Du hast aber kein Pech, du hast Glück. Ich kenne dieses Bedürfnis nicht. Ich kenne nur die anderen sex, äh sechs. Hihi. Bin aber trotzdem irgendwie ganz.

Klar bist du das, Anna. Du bist wunderbar. Mehr braucht es nicht. Meine Kreativität ist wie ein zusätzliches Hungergefühl, eine Kalorienbombe, ein Dickmacher, eine Fettsucht. Öl, das auf Wasser schwimmt. Das sich regenbogenfarben breit macht. Ich sehe sie nur von innen.

Ich sehe sie von außen, sagt Anna. Sie ist ein Geschenk. Eine zusätzliche Dimension, eine Facette, ein Detail, das du polieren kannst. Lass es zu.

Annas Imperativ stärkt meinen Impuls. Sie sieht die wilde Intuition, die manche in die Irre führt. Anna nimmt die Federn als Boa auf und windet sie um ihre Schultern. Blinkt mit den Lidern, senkt sie einladend ab.

Jetzt ein Drink aus Holunderblütensirup, Zitrone und Quellwasser – auf die Kreativität und das was sie auslöst. Was wäre sie ohne das andere. Danke Anna.

Pflanzen filmen

 Noch lieber als Tiere filme ich Pflanzen. Sie haben den Vorteil, dass sie nicht weglaufen, herumzappeln, beißen oder stechen, wenn man sich ihnen nähert.

Auch seltene Pflanzengesellschaften sind mittlerweile daran gewöhnt, dass man sie vor die Linse nimmt. Meistens von der Fotografie. Ich liebe diese Bilder.

Für den Film haben Blumen, Bäume und das gängige Grünzeug allerdings den Nachteil, dass sie oft zu groß sind oder zu unbewegt. Wer will schon einen Film von einem Kaktus machen/sehen, der bewegungslos in der Wüste steht. Nicht einmal Zeitrafferaufnahmen können da viel rausholen. Ein wenig wechselnde Helligkeit weil sich der Sonnenstand verändert, das ist alles. In der heimischen Flora sind es Koniferen, die kein Flair haben, außerdem riechen sie unangenehm und ich will schnell weiter, bevor mich der Duft von Friedhof umweht.

Pflanzen verändern in der Regel nicht ihre Position, ich kann sie nicht stellen, ins rechte Licht zum Beispiel. Das mit dem Fluchtpunkt ist auch nicht so einfach. Sie machen keine lustigen Dinge wie herumtollen oder summen. Ich muss sie nehmen wie sie sind, wenn ich nicht ewig darauf warten will, dass der Wind von der anderen Seite kommt oder sich endlich der Himmel klärt. Passionierte Filmerinnen machen das. Sie sitzen in der Hecke und warten auf Regen, weil die Tropfen zwischen 18 und 18.45 Uhr das Licht auf optimal prismatische Weise spiegeln. Da sind dann kleine Regenbogen, Sternenglanz- und Sonneneruptionsminiaturen auf dem Film. Dafür lohnt es sich. Da ist nichts manipuliert. Alles natürliche Tricks. Geschulte Guckerinnen wissen das, taggen mit #allnatural und drücken gefällt mir.

Robert de Förster

imBaum

Ich habe dieses Bild im Kopf. Ausgelöst durch die Affen-Analogie hat sich meine Wahrnehmung ein wenig verschoben. Das ist ein bekanntes Phänomen: Beschäftigt mich etwas intensiv, konzentrieren sich alle Sinne: Als Schwangere sehe ich plötzlich Tausende andere Schwangere, als rote Kleid Trägerin wundere ich mich: es gibt mehr Frauen die wie ich ein rotes Kleid tragen als ich dachte; als Fußverletzte, die durch die Fußgängerzone humpelt registriere ich plötzlich den dichten Verkehr der Gehhilfen; die Vase, die ich auf dem Sideboard meiner Freundin so außergewöhnlich fand, steht in jedem dritten Schaufenster.

Laufe ich jetzt durch den Wald, suchen meine Augen die Bäume nach bequemen Ästen ab. Lange weiche Mulden aus warmer Rinde, in die ich mich schmiegen kann. Es gibt sie zu Haufe. Erleichtert erinnere ich mich daran das hier ist das Siebengebirge ist und kein Gorillawald. Sich gegen die vom Gehirn gelieferten Ideen zu wehren hat keinen Sinn, ich lasse sie kommen und fließen und weg. Es wird eine Weile dauern, bis es geschnallt hat, dass ich den Hahn nicht mehr zudrehe und der Fluss seiner Gedanken in den Sandboden sickert. Ein angenehmer Nebeneffekt ist die Mühelosigkeit der neuen Perspektive. Knorrige Eichen als Kletterparadies, langhalsige Buchen die glatte Herausforderung, dornige Akazien bieten Schutz vor … ja, vor was? Löwen, Füchsen, Förstern?

Der Förster, der für diesen Waldabschnitt zuständig ist würde einen gewaltigen Schreck kriegen, wenn hier langhaarige Gestalten in seinem Revier herumlungerten. Er hat zwar Verständnis für alle Arten von außergewöhnlichen Anwandlungen, solange niemand ein Messer in den Stamm stößt. Aber wie er auf eine aggressive Assoziation reagiert, wer weiß das schon? Als ich ihm begegne, schaut er mich lange an. Er sieht aus wie Robert de Niro im Film Kap der Angst. Keine Ahnung ob er merkt dass diese Ähnlichkeit einen krassen Argwohn in mir weckt. Ich mache mich vom Acker.

 

Tiere filmen

Ich warte auf die Hummel. Dick und pelzig soll sie an meinem Lavendel Nektar naschen. Dabei mit dem Stängel im Wind wehen. Hin und Her. Will sie filmen. Es ist heiß. Vielleicht zu heiß für Hummeln oder zum filmen. Kenne ihre Gepflogenheiten nicht was Wärme angeht. Mein Rücken ist steif vom Sitzen und Ausschau halten. Kleine Schlitze meine Augen gegen den blauen Himmel. Hummelhimmel. Über den Balkon bei den Brombeerbüschen sehe ich sie schwirren, zum Lavendel kommen sie nicht. Mögen sie den nicht. Die anderen Insekten krabbeln und huschen, lautlos, winzig, rotorange bis braun. Nicht das gewünschte Tier das zu meinem Plan passt. Der löst sich langsam auf. Schmilzt in der Hitze. Muss abbrechen und einen neuen Plan schmieden. Keine gute Idee bei dem Wetter.


käferNeben den Sonnenfunken noch selbstgemachte, die kleine Verbrennungen auf der Haut hinterlassen. Schwarze Punkte, die wenn ich lange genug starre, sich zu bewegen anfangen wie kleine Käfer. Sie wandern auf der weißen Fläche des Sonnensegels wie von einem Magnet gezogen in die linke untere Ecke. Was ist dort. Muss ein Fluchtpunkt sein. Nacheinander stellen sie sich an den äußersten Rand und fliegen los. Ein Startplatz kein Fluchtpunkt. Sie drängeln nicht. Es sind artige gut erzogene Käfer. Kommen direkt aus meinem Kopf. Irgendwo von zwischen dem Neodingskortex und der Netzhaut. Jetzt sind alle ausgeflogen und ich kann mich wieder auf die Ankunft der Hummel konzentrieren. Es dämmert schon. Ich gebe nicht auf. Ein Hoch auf die Hummel, die nicht kommt. Es brummt in meinem Ohr. Ist eine Biene. Soll ich die jetzt filmen? Nein, merkt doch jeder, dass die Biene keine Hummel ist.

Die Zeit ist reif

Wenn die Zeit reif ist fällt sie herab wie ein fauler Apfel. Der Matsch zu deinen Füßen ist die Vergangenheit. Lies daraus die Zukunft. Ein Muster wie Sternanis bedeutet dann vielleicht es stehen dir viele Möglichkeiten offen nutze sie. Ein Kloß in der Form von Kartoffelbrei heißt Schluss mit der Schleicherei und eine Kaskade Pferdeäpfel lass den Scheiß endlich hinter dir. Dieser winzige Moment Gegenwart. Er muss entscheiden. Geistesgegenwärtig. Dein Gehirn stellt dir ein Repertoire an Größenwahn zur Verfügung. Dann guckt es zu wie du dich abstrampelst. Es kichert und gluckst. Stellt sich hinter seine Rinde und glotzt durch ein Loch. Gespannt wie ein Bogen wartet es auf deine Entscheidung. Kein multiple Choice sondern komplizierte Kombinatorik.

diezeitistreifZögerst du zu lange schickt es das Chamäleon. Mit seiner klebrigen Zunge schnappt es dir die guten Ideen weg, eine nach der anderen. Bis Zweifel dich plagen ob die Zeit auch wirklich reif ist. Lieber noch ein bisschen warten. Sicher ist sicher. Der Matsch zieht die Fliegen an. Langsam wird es eklig. Mach doch was!