Ich möchte nicht darüber sprechen

nicht sprechenAnna sagt zu mir: du bist eine emotionale Selbstversorgerin, weißt du das? Wir trinken Bio Sangiovese aus der Toskana. Draußen ist fast Dezember. Ich höre diesen Ausdruck zum ersten Mal, kann ihn aber schnell einordnen. Mein Gehirn reagiert darauf wie auf einen Löffel Honig. Süß und klebrig haftet er sich an die Synapsen.

Ich schauspielere ein wenig und sehe Anna mit großen Augen an. Was hast du gesagt? Du hast es gehört, jetzt tu nicht so. Ich stehe auf, gehe zu meinem Stapel Karten und halte die Ich-möchte-nicht-darüber-sprechen-Karte hoch. Das ist so ein Spiel mit Anna, neben dem Spiel Getränke ausprobieren. Eines Tages haben wir nur noch die Umsonstkarten mit Sprüchen aus den dunklen Fluren der Bartoiletten mitgenommen. Wir können ganze Konversationen damit bestreiten.

Zum Beispiel zeigt mir Anna die Karte Und-was-machen-Sie-sonst-so,-außer-Kunst? Ich antworte mit Ich-möchte-nicht-darüber-sprechen. Sie signalisiert Küsst-du-mich? Ich kräusele die Stirn und schleudere ihr ein Hang-loose! zurück. Sie kontert mit der Just-do-it. Ich wühle im Stapel nach einer passenden Ausrede. Finde keine.

nicht sprechen2Auf einer ganz in pink gehaltenen Karte steht in hellpink Mach-mich-glücklich, kaum zu erkennen. Anna lacht. Der Wein tanzt Techno in ihrer Iris. Was ist denn das für eine Musik fragt sie mich. Techno sage ich beziehungsweise House. Ich halte ihr die Karte Wo-wohnt-E.T.? vor die Nase. Jetzt lenk´ nicht ab lallt sie. Der Wein haut rein. Rotweinschwere ist sehr angenehm sage ich, so als wäre es Teil des kollektiven Bewusstseins. Ist es ja sagt Anna. Schon die Römer haben Rotwein gesoffen. Der Rausch ist rational. Quatsch, das ist doch kein Rausch. Solange wir über den Rausch reden ist es keiner. Erst wenn wir vergessen. Dann lass uns vergessen sagt Anna und schenkt nach. Prost Rauschgoldengel sagt sie.

Ich bin kein Engel.