Déjà-vu_App

dejavu-app blue eyes

Die Déjà-vu Momente mehren sich. Vor einigen Jahren waren es rudimentäre Reste aus Second Life, die mich an etwas erinnerten, was niemals war. Jetzt sind es vage Andeutungen aus der virtuellen Welt. Sie reichen aus, meine Wahrnehmung auf wunderbare Weise mit Altbekanntem zu versorgen. Mein (Lebens-)Gefährte, das Gehirn, mag das Gewohnte. Seine Priorität im Denkprojekt sind Belohnungen. Über die Jahre habe ich vergebens versucht, es zu Höchstleistungen ohne Honorar zu bewegen – doch es hält allen pro bono Bemühungen stand. Also darf es nun App-Ersatzzuckerchen naschen.

Als erstes nehme ich es mit auf einen schneebedeckten Berg. Früher war ich eine begnadete Boarderin. Habe Tiefschnee durchschnitten wie ein warmes Messer weiche Butter. Mein Gehirn erinnert sich: Damals hat es Glückshormone ausgeschüttet. Einige Nanoendorphine hängen immer noch an den Synapsen. Sie blitzen und funkeln und glitzern wie Eiskristalle.

Der Berg ist ein Programm, der Schnee, der Hang, der Wind, die Kälte – alles Programm. Das Programm ist eine App und die App ist auf meinem Telefon und das Telefon ist quer auf meiner Nase. Wie ein kleines Brett vorm Kopf. In einer Plastikhülle mit feinen Extralinsen für die Projektion. Auf dem Gipfel genieße ich den Rundumblick. Zu meinen Füßen liegt knirschender Schnee, die Sonne scheint am Himmel und der Abgrund fällt um mich herum.

Wo dem Programm die Perfektion fehlt, füllt mein Gehirn die Lücken. Kaum kriegt es Zucker, zögert es keine Sekunde. Es möchte, dass ich glaube, was ich ihm vorgaukle. In diesem Paradox sind wir wie Partner: Wir kennen unsere Vorlieben und wir wissen um unsere Schwächen.

Déjà-vu-Apps gibt es wie Sand am Meer. Programmierte Phänomene für einen Pappenstiel.

Augenblick App

Neulich sagte eine Frau in einem Vortrag ihr Talent sei es den richtigen Moment zu erkennen. Damit hat sie mächtig Eindruck gemacht, das Publikum lag ihr zu Füßen. Den exakten Zeitpunkt zu erwischen ist mit das Schwierigste was es gibt. Manche Menschen können das als hätten sie einen Sensor dafür, ich finde die sollten eine App entwickeln damit andere das auch können. Ich liste meine Pläne nach Priorität und mein Mobiltelefon würde diskret summen, wenn der Augenblick gekommen ist an dem ich dieses oder jenes sage oder das eine oder andere tue. Es ist nicht so dass ich grundsätzlich im falschen Moment agiere. Ich kann nur kein System erkennen oder ein Gespür entwickeln für diese zeitliche Dimension.

ImageAnsonsten bin ich im Zeitmanagement akribisch, perfekt sozialisiert in sekundärer Tugend. Peinlich ist das wie ich vor allen Terminen noch kurz Zeit habe mir schnell den Staub von den Schuhen zu wischen, die Hände zu waschen und den Lippenstift nachzuziehen. Dabei ist das alles gar nicht wichtig für mich. Ich schaffe es nur einfach nicht zu spät zu kommen. Schon früher in der Schule waren die Coolen immer die Letzten. Aber die Letzte sein will ich auch nicht. Gibt es denn keinen Mittelweg? Ich hasse Mittelweg. Ich brauche diese App. Dringend.