
Die Déjà-vu Momente mehren sich. Vor einigen Jahren waren es rudimentäre Reste aus Second Life, die mich an etwas erinnerten, was niemals war. Jetzt sind es vage Andeutungen aus der virtuellen Welt. Sie reichen aus, meine Wahrnehmung auf wunderbare Weise mit Altbekanntem zu versorgen. Mein (Lebens-)Gefährte, das Gehirn, mag das Gewohnte. Seine Priorität im Denkprojekt sind Belohnungen. Über die Jahre habe ich vergebens versucht, es zu Höchstleistungen ohne Honorar zu bewegen – doch es hält allen pro bono Bemühungen stand. Also darf es nun App-Ersatzzuckerchen naschen.
Als erstes nehme ich es mit auf einen schneebedeckten Berg. Früher war ich eine begnadete Boarderin. Habe Tiefschnee durchschnitten wie ein warmes Messer weiche Butter. Mein Gehirn erinnert sich: Damals hat es Glückshormone ausgeschüttet. Einige Nanoendorphine hängen immer noch an den Synapsen. Sie blitzen und funkeln und glitzern wie Eiskristalle.
Der Berg ist ein Programm, der Schnee, der Hang, der Wind, die Kälte – alles Programm. Das Programm ist eine App und die App ist auf meinem Telefon und das Telefon ist quer auf meiner Nase. Wie ein kleines Brett vorm Kopf. In einer Plastikhülle mit feinen Extralinsen für die Projektion. Auf dem Gipfel genieße ich den Rundumblick. Zu meinen Füßen liegt knirschender Schnee, die Sonne scheint am Himmel und der Abgrund fällt um mich herum.
Wo dem Programm die Perfektion fehlt, füllt mein Gehirn die Lücken. Kaum kriegt es Zucker, zögert es keine Sekunde. Es möchte, dass ich glaube, was ich ihm vorgaukle. In diesem Paradox sind wir wie Partner: Wir kennen unsere Vorlieben und wir wissen um unsere Schwächen.
Déjà-vu-Apps gibt es wie Sand am Meer. Programmierte Phänomene für einen Pappenstiel.

Enzo Rn hat eine gelbe Iris, die im Dunkeln leuchtet. Der Name Rn stammt aus Rumänien und obwohl Enzo klar ist, dass es sich um ein Kürzel handelt, einen Fehler der Einwanderungsbehörde, betreibt er Ahnenforschung. Ein Familie namens Rn findet er nicht. Auch in der um spezifisch auffällige Merkmale erweiterten Suche wird er nicht fündig. Er scheint ein Einzelfall zu sein.
Das Fest fängt an und der Mann trinkt. Alkohol mischt sich in seine Sinne. Vor die Augen setzen sich Schleier aus explodierender Luft. Auf seiner Haut brennen Funken. In den Ohren dröhnen Geräusche. Sein Gehirn denkt in Schleifen: Farbe Feuer Kraft, Farbe Feuer Kraft. Aus diesen Worten macht er ein Mantra und die Melodie ihrer Wiederholung bewegt sich wie Wind.
You must be logged in to post a comment.