Robert de Förster

imBaum

Ich habe dieses Bild im Kopf. Ausgelöst durch die Affen-Analogie hat sich meine Wahrnehmung ein wenig verschoben. Das ist ein bekanntes Phänomen: Beschäftigt mich etwas intensiv, konzentrieren sich alle Sinne: Als Schwangere sehe ich plötzlich Tausende andere Schwangere, als rote Kleid Trägerin wundere ich mich: es gibt mehr Frauen die wie ich ein rotes Kleid tragen als ich dachte; als Fußverletzte, die durch die Fußgängerzone humpelt registriere ich plötzlich den dichten Verkehr der Gehhilfen; die Vase, die ich auf dem Sideboard meiner Freundin so außergewöhnlich fand, steht in jedem dritten Schaufenster.

Laufe ich jetzt durch den Wald, suchen meine Augen die Bäume nach bequemen Ästen ab. Lange weiche Mulden aus warmer Rinde, in die ich mich schmiegen kann. Es gibt sie zu Haufe. Erleichtert erinnere ich mich daran das hier ist das Siebengebirge ist und kein Gorillawald. Sich gegen die vom Gehirn gelieferten Ideen zu wehren hat keinen Sinn, ich lasse sie kommen und fließen und weg. Es wird eine Weile dauern, bis es geschnallt hat, dass ich den Hahn nicht mehr zudrehe und der Fluss seiner Gedanken in den Sandboden sickert. Ein angenehmer Nebeneffekt ist die Mühelosigkeit der neuen Perspektive. Knorrige Eichen als Kletterparadies, langhalsige Buchen die glatte Herausforderung, dornige Akazien bieten Schutz vor … ja, vor was? Löwen, Füchsen, Förstern?

Der Förster, der für diesen Waldabschnitt zuständig ist würde einen gewaltigen Schreck kriegen, wenn hier langhaarige Gestalten in seinem Revier herumlungerten. Er hat zwar Verständnis für alle Arten von außergewöhnlichen Anwandlungen, solange niemand ein Messer in den Stamm stößt. Aber wie er auf eine aggressive Assoziation reagiert, wer weiß das schon? Als ich ihm begegne, schaut er mich lange an. Er sieht aus wie Robert de Niro im Film Kap der Angst. Keine Ahnung ob er merkt dass diese Ähnlichkeit einen krassen Argwohn in mir weckt. Ich mache mich vom Acker.

 

Gorilla

Ich hänge im Luv eines tropischen Nebelwalds fest. Also mental. Mir fehlt für diese Situation eine adäquate Klassifizierung, was soll ich tun.

Mein Gehirn geht auf Go: Ein Luvhang liegt quer zur vorherrschenden Windrichtung und die am Berg aufsteigenden Luftströme kühlen sich so ab dass es zur Kondensation des Wasserdampfs und damit zu Nebel kommt. Das hat es irgendwo in meiner lexikalischen Erinnerung über Pflanzenbücher ausgegraben. Hat es auch berücksichtigt, ob es mir jetzt hilft.

Meine Lage ist folgende: Mit einer Gruppe von Menschen mache ich diesen Marsch durch die Mancha. Die Männer machen abends Feuer, das die Haare der Mädchen färbt. Einmal die Ebene hinter uns gelassen wird es warm und üppig und es stehen Berge in der Landschaft, die mit dichtem Wald bewachsen sind. Im Lager lachen wir endlich mal.

Die Musik der Nacht um uns herum. Schrille Schreie, lautes Zirpen von Monsterzikaden und gruseliges Geraschel im Gebüsch. Die Männer sagen Bäume, Büsche und Blumen. Die Mädchen mischen sich ein. In diesem Mikrokosmos machen sie Mango- und Mammutbäume aus, dornige Mahonienbüsche mit ledrigen stachelspitzigen Blättern und blaubereiften Beeren. Nein, nicht essen. Die Männer nicken und öffnen geschickt die Konserven. Morgen werden sie wieder mitreden jetzt sind sie müde.

gorilla1Wo war ich. Ach ja. Am Hang. Im Nebel. Wie ein Gorilla. Was soll diese Affen-Assoziation. NEIN. Mein Gehirn grinst und schickt mir über die Kehle einen heiseren Laut. Ein Primatenpusten. In Affenart wiege ich meinen Körper und reiße die langen Arme hoch. Entblöße mein gelbes Gebiss und gröle. Finde Gefallen daran.

Nach dem blauen Schaf und dem Känguru bin ich jetzt eine Gorilla. Ganz schön mutig von meinem Gehirn. Es stellt sich einer selbst erdichteten Dominanz. Scheint nicht nur ein Experiment für mein Ego zu sein, sondern ein existentieller Selbstversuch. Das mit dem Nebel macht es nicht einfacher. Ich komme langsam dahinter was das soll. Ein einfaches Etikett. Ein Standard. Eine Kategorie. Gorilla im Nebel. Wie der Film. Mach einfach was die Affen machen. Ich muss nachdenken. Ist schon so lange her dass ich Gorilla … äh … im Kino war.