Der Stegreif

Weißkopf-Seeadlerkopf

Unter den Greifvögeln ist der Stegreif der mit dem größten Stehvermögen. Sind alle anderen wahre Kunst- und Angriffsflieger, reißt der Stegreif seine Beute aus dem Stand. Am liebsten tut er das vor großem Publikum, jedenfalls scheint es so, da er ohne Beachtung gar nicht jagt. Wer begreift schon die Beweggründe eines Greifs?

Rein phänomenologisch betrachtet, hat der Stegreif ständig seine Groupies und die erweiterte Fangemeinde um sich herum. Nachtigallen, Steinbeißer, Spatzen und Zaunkönige zum Beispiel.

Die deutlich kleineren Vögel hängen sozusagen an seinem Schnabel. Süchtig nach Show. Versessen auf Superlative. Sie als Familie zu bezeichnen, ginge zu weit. Nestbau ist nicht des Stegreifs Ding. Im biologischen Sinne zu den Accipitriformes gehörend, zählt er sich am liebsten zu den Endzeitgeiern, die noch keine Aufnahme in die anerkannte Greifvogel-Klassifikation gefunden haben.

Seiner Neigung entsprechend plustert er sich stante pede auf und palavert Greifgeschichten. Er ist richtig gut im Erzählen, herzergreifend romantisch, tieftraurig und schaurig. Zart besaitete Vögelchen fallen ihm ohnmächtig vor die Krallen. Er erlöst sie mit spitzen Biss. Das Blut fließt wie ein roter Teppich von ihm weg. Großspurig schreitet er darauf voran, bis er wieder einen Einfall hat. Er bleibt stehen und beginnt seine heisere Rede. Ruckzuck umringen ihn seine Follower und buhlen um die Gunst seiner Gier.

Accipitri! Accipitri!

Der Stegreif denkt: Die sind ja alle total auf dem falschen Dampfer. Folgen blind ihren Assoziationen, schreien Accipitri! in den Äther und kümmern sich nicht um die Hintergrundrecherche. Mit mir als Greif setzen sie sowas von aufs falsche Pferd. Sie schieben mir ihre Köpfe geradezu in die Schlinge, „ohne lang nachzudenken, unvorbereitet, extemporiert, improvisiert“. Ich brauche nach Greifart nur „aus dem Stand“ zupacken, als hätte ich die Beute „aus der Luft gegriffen“. (Stegreif)

Soll mir recht sein.

Das Tor ist zu

Tor zuWir haben die Glocke nicht gehört, die alle Besucherinnen zum Ausgang klingelt. Stehen jetzt vor dem Schmiedeeisentor und es ist verschlossen. Draußen gehen gut gelaunte Leute vorbei, sie scheinen uns nicht wahrzunehmen. Ist die Tür zum Garten zu, wird der Garten zu einer Galaxie fernab. Kein unmittelbarer Kontakt zur Welt in/auf der wir leben. Auch nach innen sind die Straßengeräusche gedämpft wie aus großer Entfernung. Das Gitter lässt nix durch. Auch uns nicht.

Wir sehen uns an und finden das, was gerade abgeht gar nicht so schlimm. Eine unerwartete Aufregung, ein ungeplantes Abenteuer, ein verlängerter Ausflug. Auch das Nachrichtennetz liegt lahm. Mit unseren Mobiltelefonen in der Hand sehen wir lächerlich aus. Komplizierte technische Kommunikationshilfsmittel, die hier im Garten anmuten wie kleine versteinerte Rindenstücke der Schwarzkiefer, die ihrem Namen zum Trotz silbern in der Abendsonne glänzt.

Jemand lacht. Über uns? Das wäre angemessen. Ist doch noch einer hier, der uns wegscheucht? Ein Gärtner, der sein Gelände schützt und die empfindlichen Pflanzengesellschaften. Eigentlich wollen wir nicht raus und rennen in den Schatten der Redwoods. Wir schmiegen uns an die ungewöhnlich dicke, sehr weiche, rotbraune, faserige Borke. Fühlt sich an wie ein Fell. Warm. Ihre dicken Äste reichen bis zum Boden. Dies könnte unser Schlafplatz sein. Später.

Der da lacht ist ein Frosch. Früher oder später ein ganzes Konzert und aufgeregte Wellen in den Tümpeln. Wir sind jetzt garantiert allein. Was wir in der Sonne neugierig betrachten beobachtet im Dämmer uns. Sie sind viele, viel mehr als wir zwei. Unser Pflanzenwissen reicht aus, die Panik in Schach zu halten, denn sie sind stationär, zumindest ziemlich. Romantisch ist das nicht. Wie nicht geladene Gäste in ungebetener Garderobe, argwöhnisch beäugt. Es bilden sich Risse in unserem Selbstbewusstsein. Wir sind Menschen. Die sind Pflanzen und Tiere und Nacht.

Sekunden werden Stunden. Eine Ewigkeit unter dem Dach des Mammutbaums. Er ist der sanftmütige Nachbar der Redwoods und nimmt uns auf in seine stachligen Arme. Wir sind jetzt dankbar und demütig. Wickeln uns in unsere Jacken und atmen leise. Sehnen uns nach unseren Decken und den Daunen darin. Die Nacht ist warm und windig. Rauschen die Wipfel, raschelt das Schilf, Quaken die Frösche bis zur Erschöpfung. Fliegt ein großer Vogel. Seine Beute sind wir nicht. Wir schlafen jetzt. In unsere Träume krabbeln rote Ameisen mit giftiger Säure, Eichhörnchen kratzen unsere Haut, Schlangen lecken an den lackierten Nägeln und schlängeln wieder davon. Das Holz knackt, das Gras knistert, das Wasser gluckert. Die Sterne ziehen Streifen am Himmel.

Wir träumen für immer in diesem Garten zu bleiben. Sein Gewimmel und seine Geräusche wie selbstverständlich zu nehmen. Inmitten zu sein mit Regen für den Durst, Würmer für den Hunger und Wärme für das Herz. Selbst zu einer seltsamen Pflanze zu werden, die einer Gesellschaft angehört. Einer Familie. Mit Wurzeln und allem drum und dran.

Wir schlafen und das Tor ist zu.

Nicht schlecht Herr Specht

Erst auf den zweiten Blick offenbart sich, welche Akrobatik dieser Vogel einsetzt, um an seine Beute zu kommen. Kopfüber. Kreativ. Wo er doch sonst nach Spechtart so lange klopft und hämmert, bis der Wurm genervt heraus kriecht.

herrspecht

Dieses wunderbare Foto hat ein Freund von mir gemacht und ich habe es einem meiner Themen gewidmet: Kreativ Probleme lösen. Für Menschen gibt es weltweit über 100 verschiedene Kreativitätstechniken, am bekanntesten dürfte Brainstorming sein. Es sind Methoden zur Förderung vonKreativität und gezieltem Erzeugen neuer Ideen, um Visionen zu entwickeln oder Probleme zu lösen. In Wirtschaft, Politik und in der Bildung werden dafür gezielt Innovationsworkshops und Innovationsprojekte durchgeführt.

Kreativität findet in einer komplexen Interaktion von Begabung, Wissen, Können, Motivation, Persönlichkeitseigenschaften und Umgebungsbedingungen statt, d.h. in der Regel ist hier ein Team an der Arbeit. Mit welchen Methoden kann ein hoher Output von Ideen produziert werden? Wie können die Ergebnisse genutzt werden und wer entscheidet am Ende über die Umsetzung? Einiges an Originalität und Einfallsreichtum gibt es auch im Tierreich zu entdecken – warum nicht einmal das Untypische ausprobieren?

Reblog from my website PROFIL.GLANZ.PERFORMANCE. May 27, 2104.