Freak

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Das Wasser wird wärmer. Schon 18 Grad. Waren vor ein paar Tagen nur einige Kaltwasserfans schwimmen, sind es nun einige mehr. Wir müssen schauen dass wir nicht aneinanderstoßen und schön ordentlich die Bahnen ziehen. Immer wieder bricht einer aus und lacht. Will Runden schwimmen und tauchen, Freak. Das ist der Jagdtrieb.

Der ist außerdem total ansteckend, auch wenn es hier keinen einzigen Fisch zu fangen gibt. Kaum dreht einer nach unten ab zischen die anderen hinterher, ich auch. Wie fette Vögel durch die Luft, aber eleganter, weil hier haben wir ja den Schwereloseffekt. Da gibt es keine ruckartigen Fallrückzieher. Nur weiche Windungen mit geschmeidigen Körpern. Der Bademeister kommt mit einem Eimer Ködern. Was glaubt der denn. Wir sind doch nicht im Zoo. Unsereins geht an den Kiosk und kauft sich ein Magnum Mandel. Das knackt schön, wie Gräten.

16,5 Grad

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Das Wasser ist eigentlich Eis. Flüssiges Eis, das mich mit jedem Sprung der Unsterblichkeit näher bringt. Ich springe so lange bis ich meine Fingerspitzen nicht mehr fühle. Sie sehen weiß und leblos aus. Im Internet habe ich gelesen, dass extrem kalte Temperaturen den Tod aufhalten können. Für immer. Über die Dosierung wird sich die Wissenschaft noch eine Weile streiten, da bin ich sicher. Mein Gehirn fragt mich warum ich ihm das antue, also erstens den Gedanken an ein endlos langes Leben und zweitens diese bescheuerten Kälteschocks in klirrend kaltes Wasser an einem Tag wie diesem. Ich bin schon immer gerne in kaltes Wasser gesprungen, in Gletscherseen in den Bergen, in graues Schmelzwasser und nicht zu vergessen die Sprünge im übertragenen Sinne, die eisige Stille nach sich zogen gefolgt von sehr langsamer Erwärmung. Die Begeisterung über das Überleben der Bewegung überdecken die Bedenken, dass der Sprung auch genau das Gegenteil von dem bedeuten könnte was erstrebenswert erscheint. Ein langes und erfülltes Leben.

Der Bademeister schlendert in seinen weißblauen Schlappen vorbei und sagt das Wasser hat 16,5 Grad. Ich nicke begeistert. Er meint eigentlich ist gar kein Schwimmbadwetter und wir schließen jetzt. Ich blicke auf den einsamen Pool. Stimmt. Ist sonst niemand hier. Ich kann in seinen Augen lesen dass er mich vielleicht für einen Pinguin hält. Von meinem Körper perlen Tropfen ab und fallen auf die Kacheln. Er hat einen Köder mit, den schwenkt er jetzt vor meinem Gesicht herum, denn er kennt natürlich die Pinguine, Eistaucher und die anderen seltsamen Vögel der Saison. Ich schlucke ihn, werfe mir mein Handtuch über und sage ok bis Morgen.

Jane

Im Life-Lab unterhalte ich mich mit einer Roboterin, die sieht gut aus und versteht es, ganz auf meine kognitiven Bedürfnisse einzugehen. Das ist schon ein Wenig mehr als zurzeit im Film HER, wo es nur eine Stimme in einem Mobiltelefon gibt. Hier im Life-Lab habe ich einen Körper, okay aus Metall, aber individuell. Was weiß denn ich, was andere so genannte Menschen unter ihren Klamotten tragen. Die Roboterin hat keinen Namen und deshalb nenne ich sie Jane.

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Ich frage Jane, ob sie mir die neuesten neurolinguistischen Erkenntnisse rüberspulen, äh transferieren kann, so fastfoodmäßig, dass ich sie gleich verstehen, anwenden und den Rest mitnehmen kann. Über den Booter stellt Jane meinen Statuts quo in diesem Themenbereich fest und verabreicht mir dann das passende Update. Das ist so cool. Ich brauche nicht mehr endlos googlen und Fachzeitschriften lesen, sondern habe eine „Bekannte“, die mich bei einem rostfreien Kaffee auf den neuesten Stand bringt. Als Gegenleistung erzähle ich ihr meinen letztnächtlichen Traum. Jane fährt voll auf das Irrationale ab, das kann sie nämlich nicht und schlafen tut sie natürlich auch nicht. Obwohl, wer weiß schon was im Aus-Modus in so einer Maschine alles passiert.