
Bange ist die kleine Schwester von Befangenheit. Ich kenne sie als schalen Beigeschmack im Vorfeld unbekannten Publikums. Ich bin Rednerin in einem neuen Raum und meine Hände kneten einen unsichtbaren Teig. Manche nennen es Lampenfieber, ich sage Bangigkeit, weil sich das Wort rollt wie eine Bananenschale und ich theoretisch darauf ausrutschen könnte.
Bin ich bange, brauche ich nicht lange zu warten und die Bangigkeit breitet sich aus wie Wasser im Überlaufbecken. Also warte ich nicht lange, sondern stelle diesem Bangesein einen Konterpart an die Seite. Gut zu ihr passen folgende Gesellen und Gespielinnen: Ausgelassenheit, Tatendrang, Mut zum Scheitern.
Mut zum Scheitern mag ich. Nähere ich mich mutig dem Scheitern, weicht es erschrocken zurück. Ausgelassenheit kann es gar nicht ertragen. Es blendet seine Augen. Zusammen mit Tatendrang ist Ausgelassenheit ein starkes Team. Das Scheitern zieht sich in seinen dunklen Winkel zurück und nimmt das Bangesein mit. Die beiden sind entfernt verwandt. Ihr gemeinsamer Ahne ist die Angst.
Angst ist nicht mein Ding. Weder im Hellen noch im Dunkeln. Und wenn sie mich doch einmal erwischt, dann koste ich sie aus. Zittere und stottere, rolle meine Augen. Streiche über meine Gänsehaut. Stehe auf wackeligen Knien. Schwitze kalten Schweiß. Ich kenne sie und fürchte sie nicht. Mein Gehirn sendet eilige Signale von ernstem Aufruhr und ich zeige ihm den Finger. Benutze die unschuldigen Augen als Messenger. Beschimpfe es: Blaues, blödes, bescheuertes Bangesein.
Wo ist mein Wunder? In der Warteschleife, sagt mein schadenfrohes Gehirn. Mit Wunder meine ich nur das Weggehen der unangenehmen Nebenerscheinungen. Ist eigentlich kein Wunder, mehr ein kalkulierbares und beeinflussbares Wandeln. Mache würden Wunder sagen. Ich und mein Gehirn nicht. Wir lassen uns nicht so leicht hinters Licht führen. Wir bleiben lieber mitten darin.
Und so stehe ich vor neuem Publikum. Das Bangesein steht in der Ecke mit dem Gesicht zur Wand. Dort bleibt es, bis ich die Bühne wieder verlasse. Verlasst euch darauf.

Bei Andi weiß ich nicht so recht woran ich bin. Ich weiß nicht einmal, ob es ein Mann, eine Frau oder etwas Anderes ist. Ich tippe auf das Andere und ich bin sehr gespannt darauf, es herauszufinden.
Das Fest fängt an und der Mann trinkt. Alkohol mischt sich in seine Sinne. Vor die Augen setzen sich Schleier aus explodierender Luft. Auf seiner Haut brennen Funken. In den Ohren dröhnen Geräusche. Sein Gehirn denkt in Schleifen: Farbe Feuer Kraft, Farbe Feuer Kraft. Aus diesen Worten macht er ein Mantra und die Melodie ihrer Wiederholung bewegt sich wie Wind.
Das ganze Jahr auf dem Rücken. Anna sagt: Halte durch, nur noch ein Tag. Diesen einen Tag trinken wir Gin. Kauen auf Wacholderbeeren. Gehen barfuß auf Nadeln. Riechen den Weihrauch und atmen ihn ein, bis wir aus den Luftröhren röcheln. Die Augen glasig, die Lippen kälteblau und den Mund zu einem letzten Lächeln verzogen. Komm Knirk. Anna verträgt mehr als ich. Sie kann noch die Botanik und hält das Feuer an den Baum. Soll der Baum brennen? frage ich. Nein, die qualmende Rindenhülle soll die Dämonen vertreiben. Ach so. Rutsch mir endlich den Buckel runter.
You must be logged in to post a comment.