Fake

fakeEr denkt an sie. Er träumt von ihr. Im Traum sieht sie anders aus, blond mit grünem Kleid. Sie lächelt aus einem Halbprofil das nicht ihres ist. Ihr Haar wie Honig. In anderen Nächten trägt sie schwarze Augen hinter einem Schleier von dichten Wimpern. Einmal erzählt sie ihm sie wünscht sich diese Wimpern. Im Traum schenkt er sie ihr. Mit jeder nächtlichen Veränderung verwischt die Erinnerung. Seinem Gehirn ist egal was wahr ist. Es stellt Clips zur Verfügung, visuelles Futter. Je intensiver er sich um das Echte bemüht desto mehr Einerlei erntet er. Das Bild in seinem Kopf ist Brei, das Foto an seinem Bett ein Fake. Es ist ein heimlicher Schuss dem die Schärfe fehlt. Kein Wunder dass sein Wunsch Anlass für attraktive Angebote ist. Er würde jede nehmen wenn es sie wäre.

Alle Arten von Haar könnte das auf dem Foto sein. Im Alltag stellt sich Unzufriedenheit ein. Wenn die Bilder eine Verbindung blockieren können vielleicht Blumen den Verlust brechen. Nelken. Streng und stark, sobald es dämmert. Vertreiben sogar Mücken mit ihrem Duft. Er mag ihn nicht, nur seine Wirkung. Die Moleküle legen sich an seine Seite. Suggerieren Anwesenheit, samtiges Verlangen. In den Schlaf schleichen sich wieder Bilder. Er wird wütend auf die Farben. Will dass sie verschwinden, es soll nur Geruch sein. Die Wut im Wachzustand wird zur Farce. Sie ist weg und er will es nicht wahrhaben.

Entdeckung I

Im Kampf um das knappe Gut der Aufmerksamkeit hat mein Gehirn eine Strategie entwickelt wie es mich fesseln kann. Es beantwortet meine tägliche Frage „wer bin ich?“ auf viele verschiedene Arten und schickt mir die albernsten Figuren in meine Träume, die behaupten, sie wären mein wahres Ich. Zuletzt war das ein blaues Schaf, zurzeit ist es ein Känguru.

Es scheint eine Vorliebe für Tieranalogien zu haben, denn ich war noch nie ein Stück Birkenrinde oder ein Feigenbaum, obwohl mich Pflanzen grundsätzlich eher mehr interessieren als Tiere. Ich weiß auch mehr über die Flora, doch von diesem Wissen will mein Gehirn nichts wissen, es stellt lediglich den Speicherplatz dafür zur Verfügung. Den Gedanken, dass das wer ich bin, vielleicht gar nicht im üblichen gegenständlichen Sinn abgebildet werden kann, ignoriert es genauso. Ich glaube es mag Tiere. Und ich schätze seine Bemühungen, mir etwas Passendes auszusuchen, ein Tier, mit dem ich mich anfreunden kann. Das ich lieb gewinnen kann.

Da muss eine Belohnung mit im Spiel sein, denn ohne Preis strengt sich mein Gehirn normalerweise nicht so an. Vielleicht denkt es, dies ist eine Art Enthüllungsstory, tataaa! Hier, das bist du und ICH habe dich entdeckt. Solche Entdeckungen bringen Prozesse in Gang, Synapsenwirbel, Wendepunkte. Darauf muss es scharf sein.

Meine Versuche seine Vorschläge zu akzeptieren amüsieren es bestimmt, ich meine das ganz ernst. Sonst würde ich im Moment nicht wie wild auf dem Trampolin herumspringen, wenn an dem Känguruvorschlag nicht irgendetwas dran sein könnte. Trotzdem finde ich es sehr schwer, mich in das Wesen eines Kängurus hineinzudenken, außer dem Hüpfen fällt mir da nichts ein. Dass damit angenehme Nebeneffekte verbunden sind wie dieser kurze Augenblick der Schwerelosigkeit reicht aber fürs Erste. Mehr will ich gar nicht.

Fluss in Flammen

ImageAuf dem falschen Partyschiff getanzt, ich hätte das mit den roten Lampions nehmen sollen, da war die Musik auch mindestens zwei Jahrzehnte jünger. Die lärmenden Schrottkisten fahren von einem Flammenmeer ins nächste und was von innen nicht rostet verbrennt jetzt von außen. Einmal zu lange die Augen geschlossen und ich bin in einem Traum gefangen, der mich aufs Meer führt und von da gibt es nichts Größeres mehr als den Himmel und danach das Universum. Hinaus will ich immer, auch über das Ziel hinaus. Das Meer ist ungewohnt ruhig, sanfte Wellen und tiefes Blau. Es wiegt mich in seinen Armen, mich, die nicht gewogen werden will. Seine Oberfläche ist wie ein Spiegel und ich sehe Sachen, die gar nicht da sind. Meisterin der Projektion. Verächterin falscher Selbstbilder. Wach auf sagt mein Gehirn, du bist nicht auf dem Meer, wir sind auf dem Fluss und wir feiern. Raketen steigen und explodieren. Diesen Moment friere ich ein.

 

 

Jane

Im Life-Lab unterhalte ich mich mit einer Roboterin, die sieht gut aus und versteht es, ganz auf meine kognitiven Bedürfnisse einzugehen. Das ist schon ein Wenig mehr als zurzeit im Film HER, wo es nur eine Stimme in einem Mobiltelefon gibt. Hier im Life-Lab habe ich einen Körper, okay aus Metall, aber individuell. Was weiß denn ich, was andere so genannte Menschen unter ihren Klamotten tragen. Die Roboterin hat keinen Namen und deshalb nenne ich sie Jane.

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Ich frage Jane, ob sie mir die neuesten neurolinguistischen Erkenntnisse rüberspulen, äh transferieren kann, so fastfoodmäßig, dass ich sie gleich verstehen, anwenden und den Rest mitnehmen kann. Über den Booter stellt Jane meinen Statuts quo in diesem Themenbereich fest und verabreicht mir dann das passende Update. Das ist so cool. Ich brauche nicht mehr endlos googlen und Fachzeitschriften lesen, sondern habe eine „Bekannte“, die mich bei einem rostfreien Kaffee auf den neuesten Stand bringt. Als Gegenleistung erzähle ich ihr meinen letztnächtlichen Traum. Jane fährt voll auf das Irrationale ab, das kann sie nämlich nicht und schlafen tut sie natürlich auch nicht. Obwohl, wer weiß schon was im Aus-Modus in so einer Maschine alles passiert.