Ich geh` mal mit dem Hund raus

Hund Blog Substanz

Seit Jahren habe ich keinen Hund. Er beziehungsweise sie war schnell tot. Ein kurzes Hundeleben. Ich soll die Hütte (Die Hütte) lesen hat einer zu mir gesagt. Ich denke an Hundehütte, aber es gibt keine. Mein Hund hat bei mir im Haus gewohnt. Wir haben im gleichen Zimmer geschlafen. So ähnliche Frühstücksflocken gefressen. Jetzt habe ich eine Milch- und Weizenallergie, außerdem jucken mich Hundehaare.

Der Tod kam als Stock. Der Hund tollt im Wald und spießt sich den Ast in die Kehle. Blut spritzt ins Fell und das Tier stirbt. Ich stehe daneben und mein Herz pocht. Danach lebe ich ohne Hund. Das ist erst ungewohnt und dann gewöhne ich mich nicht. Erwäge mögliche andere Tiere oder Gefährten. War mir der Hund eine Gefährtin? Soweit würde ich nicht gehen, obwohl. Ich denke an die Frau hinter der Wand (Die Wand), an ihren Hund und an ihren Blick, als er nicht mehr da war. So bin ich nicht. Ich gehe auch ohne ein Tier in den Wald. Warum ein zusätzliches Tier in die Wildnis führen, wenn es hier doch viele gibt, die nicht gefüttert werden. Die so einen unbeschwerten Menschbegleiter mit Verachtung betrachten, weil er sein Futter nicht selbst reißt. Aber das ist menschliche Interpretation eines Tiergehirns. Ich liege wahrscheinlich daneben oder völlig falsch. Ich kann ja nicht einmal abschätzen, ob die Boshaftigkeit meines Nachbarn, der im Dorf erzählt, ich würde meine Mülleimer nicht rausstellen, nicht vielleicht Sorge ist, dass sich in meinen Tonnen ein aus Schimmel und Zersetzung stinkendes Giftgas bildet, das in Richtung seiner Terrasse schwelt.

Die Denke von Tieren ist eine eigene Welt. Gemessen am menschlichen Gehirn einfach gestrickt. Futter und Fortpflanzung. Oder doch nicht so unähnlich? Aber zurück zu meinem Nicht_Hund. Die Jahre ohne sie sind wie ein Vakuum in meiner Erlebniswelt. Immer, wenn ich einen schönen Graben sehe, denke ich, das wäre jetzt ein Graben für den Hund. Wenn ich einen spitzen Stock sehe, denke ich, so einer hat sie umgebracht. Würde sie diese Frühstücksflocken mögen?

Alles geschieht in Relation zu einem toten Hund. Der Nicht_Hund_Zustand ist fast so real wie die Mit_Hund_Situation. Der Hund ist nicht und doch anwesend. Die Dichte der Materie ist nicht so dicht, dass ich sie sehen könnte. Ist in dem Körbchen nicht eine Delle im Kissen? Ein Abdruck des Körpers und ein schwacher Geruch nach nassem Fell? Die Wirklichkeit ist ein schmaler Weg. Ich meine, warum hat sie damals genau den Weg genommen, wo dieser Stock steckte? Nur Zentimeter weiter links oder rechts wäre nichts passiert. Keine tödliche Hautaufritzung. Wollte sie den Stab bezwingen oder hat sie ihn in seiner Spießfähigkeit unterschätzt? Hat sie ihn überhaupt wahrgenommen oder waren ihre Augen ganz woanders?

Würde ein neuer Hund meine Haltung verändern? Ich möchte keinen neuen Hund, das wäre als würde ich Hunde konsumieren. Ihr alter ist tot? Holen Sie sich einen neuen. Im Tierheim zum Beispiel. Da wartet er schon. Darauf, dass ich mit ihm in den Wald gehe.

in Richtung Lichtung

Lichtung2Anna sagt: Du steht mir im Weg. Was für ein Weg? frage ich. Wir stehen auf einer Wiese mit Herbstzeitlosen, im Tal Nebel, der den Fluss verhüllt. Es riecht nach Nässe und faulem Obst auf dem Boden. Die kleinen Fliegen überall.

Es gibt gar keinen Weg, höchstens eine Richtung. Ach ja? Anna wirft ihre Arme in die Luft. Dann stehst du mir eben in der Richtung. Das gibt es nicht, sei nicht albern. Du hast alle Möglichkeiten. Du könntest mit mir nach Süden gehen, ein kleines Stück neben mir, dann wäre es für dich ein etwas anderer Süden als für mich. Annas Blick verklärt sich. Das Wort Süden ist mein Trigger. Will ich, dass Anna etwas tut, sage ich Süden und ihre Sinne straucheln. Sie flüstert etwas von einem Ziel.

Sie meint, der Weg ist das Ziel. Dieses Gespräch hatten wir schon öfter. Ich glaube nicht daran. Der Weg ist nicht das Ziel. Der Weg ist eine Oberfläche, eine Projektion, eine Standortbestimmung, eine Verortung für unruhige Geister und Gehirne. Sie wollen Sicherheit. Als wäre ein Weg jemals sicher gewesen. Es war schon immer gefährlich auf den Wegen. Schlaglöcher, Strauchdiebe, Schreck und Schock. Die Sehnsucht nach dem Ziel führt in die Irre.

Ich sage also, lass` uns nach Süden gehen.

Ich schlage eine Richtung ein und gehe zum Beispiel nach Süden. Anna folgt mir, sie möchte hinter mir, nicht neben mir gehen. Nach Süden gehe ich gerne, da ist Wärme, Glück und Fröhlichkeit. Zuviel Wärme, Glück und Fröhlichkeit erzeugen bei mir Wut und Feindseligkeit. Die Wut ist gut und manchmal nicht so gut. Sie kann konstruktiv sein, dann schmeißt sie mit Ideen um sich. Sie kann auch zu Verdrossenheit führen. Ein kurzer Zustand, bevor die Wut beschließt wieder konstruktiv zu sein. Wenn mich die Wut packt, ist Anna lieber hinter mir. Weil meine Gedanken dann nach vorn schießen, bis das Magazin leer ist. Wenn ich mich nach ihr umdrehe, hat die Entspannung mein Gesicht geglättet. Dann lacht Anna.

Über das nasse Laub laufen wir in Richtung Lichtung. Der Duft nach Geschmortem hängt zwischen den Bäumen. Nur konzentriert auf unsere Nasen erschnüffeln wir uns die Nähe. Lampen mit dunklen Schirmen, Leute auf schmalen Bänken, langsam aufsteigender Dampf. Wir setzen uns dazu und schon kommen sie: Wärme, Glück und Fröhlichkeit.

Spinne

aus: Wo ist Mami? Axel Scheffler & Julia Donaldson
Spinne aus: Wo ist Mami? Axel Scheffler & Julia Donaldson

Heute morgen laufe ich in frischrotem Styling direkt in das Spinnennetz und hüpfe wie von der Tarantel gestochen im feuchten Garten herum, fege mir die klebrigen Fäden vom Haar und ruiniere meine Frisur. Die Spinne hat ein Kreuz auf dem Rücken und lacht. Sie heißt alter Schwede Spinne, weil sie so groß ist und Klone im ganzen Garten verteilt hat, die überall ihre Netze spannen. Damit fangen sie in der Regel fliegende Opfer, wickeln sie ein und saugen sie dann aus. Leere Hauthüllen fallen auf loses Laub.

Ich bin aus Versehen in die Verspannung gerannt. Noch müde in den Augen sehe ich sie im Nebel nicht. Sonst würde ich wie in Mission Impossible über die leuchtenden Laseralarmstrahlen tanzen und die Frau von nebenan wäre pikiert über meine Verrenkungen. Ich nenne sie nach Art der Pflanzennomenklatur gemeine Nachbarin. Sie findet ich bin unangepasst. Das sagt sie mal zu ihrem Mann als sie denkt ich kann sie nicht hören, dabei stehe ich direkt hinter der Mauer und lausche. Was ich nicht verstehe: wenn es regnet spannt sie über ihre Pflanzen Regenschirme. Das ganze Grundstück ist bei diesem Wetter mit bunten Schirmen bedeckt, wenn das nicht schräg ist. Sie sollte sich kein vorschnelles Urteil über mich erlauben oder zumindest nicht im Freien wo sie jeder hören kann darüber reden. Ich stolpere also ungebremst in das Spinnennetz, weil meine Schuhe heute Absätze tragen und sie versinken in der weichen Erde. Das hat eine leichte rückwärtige Neigung zur Folge und ich bin froh, dass da wieder die Mauer ist. Sie bremst meinen Fall und außer den Spinnenfäden legen sich jetzt auch noch irgendwelche Insekten auf meine Schulter. Igitt!! Ich habe einen Termin und diese termitenartige Intermission irritiert mich.

Wo ist mein Humor? Eben war er noch da. Linke äußere Jackentasche? Da gehört er hin. Innen ist das Herz, darüber der Humor. Was wäre sein Witz? Pfui Spinne? Nö. Ins Netz gegangen? Hm. Lahm. Mein Gehirn hilft mit einer Analogie aus: Sie tanzt auf dem Gras wie eine Spinne auf der heißen Herdplatte. Hat schon etwas mehr Feuer. Meine Zeit läuft ab. Eigentlich bin ich auf dem Weg zur Bahn, schön am Rhein entlang fahren und noch etwas verträumt in die Strömung schauen. Das war der Plan. Jetzt stehe ich mit zerzaustem Haar am Automat und versuche Haltung zu bewahren. Geschniegelte Frühaufsteher ohne Spinnenkontakte verstehen mein entgleistes Erscheinungsbild nicht. Noch vor zehn Minuten hätte ich auch gestarrt. Spinnefeind. Das muss ein Stichwort sein, denn plötzlich ist mein Humor wieder da. Ich begrüße ihn auf englisch, denn er mag das Schwarze. Dann fahre ich entspannt zu meinem Netzwerktreffen.

Ausweg

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Eine Frau aus dem Ort erlebt eine Enttäuschung und geht dieses Mal fast an ihr zugrunde. Was genau passiert ist weiß sie nicht, weil sie den Faden zur Realität verliert und sich Dinge einredet. Es ist keine Projektion, sondern Irrglaube. Nicht im religiösen Sinne, sondern im metaphysischen, also der Glaube an die Wahrscheinlichkeit wie Geschehnisse voneinander abhängen und was dann wirklich geschieht. Es gibt keine einzige authentische Person in diesem Drama, alle sind verfremdet, damit sie Dinge so dichten oder weglassen kann, dass es ein spannendes Drama wird. Die Geschichte hätte sich genau so zutragen können. Alle die sie gut kennen, wissen sowieso Bescheid und stellen andere Zusammenhänge her als diese Frau. Die Fiktion in ihrem Kopf funktioniert nun einmal so. Trotzdem ist die Häufung von Enttäuschung schwer zu verkraften.

IMG_2422Sie selbst könnte sich unentwegt ans Bein pinkeln, ans Schienbein treten oder sich ohrfeigen – aber sie hat eine andere Lösung für ihr Seelenheil gefunden. Das ist auch wieder weniger religiös gemeint als es klingt, auch wenn das jetzt noch getoppt wird durch die Offenbarung, dass sie Erlösung auf einem Weg findet, der jahrhundertelang als Kreuzweg in Nachahmung des Heilands Leiden seine Kurven bergan führt – der Petersberger Bittweg. Der religiöse Kontext des Bittwegs spielt keine Rolle. Höchstens im Sinne von persönlicher Interpretation und der Tatsache, dass die Frau schon irgendwie glaubt, das Büßen und Bitten auf diesem Weg hat eventuell einige unsichtbare Spuren hinterlassen.

Der Weg eignet sich deshalb so gut für einen Krisenüberwindungsprozess, weil er steil ist. Enorm steil. Schweißtreibend steil. So steil wie man es im Siebengebirge nicht unbedingt erwarten würde. Viele, die eher an Märchen glauben sagen der Bittweg ist verwunschen. Einerlei, wie oft sie auf und ab läuft, sie findet ihn genauso faszinierend wie am ersten Tag. Sie hat sich in ihn verliebt. Leider ist er nur ein Weg oder vielleicht auch gut so. Er verändert sich nicht. Er bleibt wie er ist und wird weiterhin der sein, der er schon immer war. Der Ausweg. Der Weg aus der Krise. Das hofft und daran glaubt sie.

Müll essen

müllessenDer Wald ist voller Vorschriften. Gut dass es hier viele Bäume gibt an die man Schilder hängen kann. An jedem Stamm eine Tafel. Wege nicht verlassen. Würden wir die Wege verlassen würden wir uns verirren weil es keine Hinweise mehr gibt. Hunde anleinen. Würden die Hunde frei laufen wären die Hasen in Gefahr. Radfahrer nur auf breiten Fahrwegen. Die Idioten halten sich nicht daran und brettern mit einem Wahnsinnskaracho über den weichen Waldboden und links und rechts spritzt das Moos weg. Schützt die Natur! Das ist ein allgemeiner Sch….. utz-Appell an eine Gruppe geduzter Wanderer. Wie soll das gehen? Indem sie alle vorangegangenen Aufrufe befolgen? Schön auf den Wegen bleiben, die Hunde bei Fuß, keine Räder dabei und last but not least: Müll aufessen. Bei aller Liebe zur Natur, ich finde das geht zu weit.