„Das sieht dir wieder ähnlich!“ sagt meine Schwester, als ich den Sauerkirschlikör aus dem Schrank hole. Ich lache, weiß aber eigentlich nicht, was sie meint. „Was meinst du damit?“ frage ich. „Na, ja … der Likör, dass du überhaupt welchen hast.“ Hä? Ich habe nicht regelmäßig Likör vorrätig, weil ich das süße Zeug gar nicht mag. Dieser ist ein Geschenk und ich nutze die Gelegenheit, meine unangemeldete Schwester damit zu bewirten. Ich bin so was von einer untypischen Likörliebhaberin. Das glatte Gegenteil von ihr. Also stelle ich ihr gleich die ganze Flasche hin.
Würde ich auf ihrem Ausruf herumreiten, könnte dies ein Streit über Ähnlichkeit werden. Du siehst ihr ähnlich, sie sieht ihm ähnlich und er sieht ihr ähnlich. Wir sind uns da (auch) nicht einig. Ganz zu schweigen von den ähnlichen Wesensmerkmalen und Charakterzügen. So ein Charakterzug kann gefährlich schnell in einen Tunnel voller dunkler Familiengeheimnisse rasen.
Während meine Schwester die Flasche leert, gleiten meine Gedanken in wiederkehrende Strukturen. Mein Gehirn liebt diese Routine. Beim Wort ähnlich wird es nach dem ersten Aufmucken geschmeidig wie Vollmilchschokolade, kommt das selbst hinzu, schmilzt es dahin. Selbstähnlich…. zergeht dem Gehirn auf der Zunge. Das liegt auch daran, wie oft ich diesen Weg gehe. Als Phänomen ist die Selbstähnlichkeit meine Verbündete zur Erklärung der Welt. Mehr. Des Kosmos. Von allem also.
Ich sehe aus dem Fenster. Draußen tanzen die ersten Schneeflocken vom Himmel, auch die Kochsche. Als theoretische Schneeflocke dürfte sie das nicht. Seit wann fliegt Mathe einem zu? Doch da schwebt sie in ihrer ganzen selbstähnlichen Pracht. Jedes vergrößerte Stück ist bis ad infinitum mit sich selbst identisch. „Wunderschön,“ flüstere ich.
„Was ist wunderschön?“ fragt meine Schwester. „Ach, nichts“, antworte ich wie immer. „Typisch“, sagt meine Schwester und prostet mir zu.
Schmunzel… So eine Schwester, die immer bestens über mich Bescheid weiss (und auch weiss, wie ich im Grunde aller Gründe bin) habe ich auch. Nun, wie sagt man so schön: Freunde kann man sich aussuchen, Familie hat man. Das ist ja auch gut so…:-)
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Darauf ein Likörchen 🍸
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Oh … solche Aussagen kenne ich. Das ist Familie. Schublade auf, Schublade zu. Wahrscheinlich muss das so sein, damit man es miteinander aushält. Zu Weihnachten lese ich nochmals deine Geschichte und bleibe dann ganz tapfer.
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Ja, an Weihnachten 🎄 ist es wieder soweit: mit Eierlikör ;)
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Hachja, oder die fraktale Schönheit eines grünen Blumenkohls, Romanesco genannt. ;) Habe mich beim Lesen deines Textes ertappt gefühlt, denn ich halte es ganz ähnlich mit der Ähnlichkeit…
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Muster sind überall 🌽❄️🕸 … und wenn nicht, dann machen wir welche … oder sehen nur welche? Romanesco ist fast zu schön, um ihn zu essen.
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Stimmt, finde ich auch:
https://finbarsgift.wordpress.com/2014/10/26/fraktalgemuse/
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