Bromhimerdbeer

hmml1Jedes Jahr in der Erntezeit gerate ich in einen Rausch. Letztes Jahr denke ich es gibt außergewöhnlich viel zu holen. Dieses Jahr gibt es ungefähr dreimal soviel. Habe schon Ringe unter den Augen vom genauen Hingucken. Erst Erdbeeren nah an der Erde, etwas höher dann Himbeeren und bald schon Brombeeren. Die Beeren bewirken eine Beschleunigung meines Bewegungsapparats – ich schwinge mich kurz nach Sonnenaufgang auf mein Fahrrad, nachdem ich schon die halbe Nacht wach liege und mir Verwertungsvarianten ausdenke, virtuell mit Aromen experimentiere, hinzufüge, verwerfe, einrühre, auspresse. Mein Schlafgefährte macht seltsame Geräusche, ein Summen wie die Hummeln.

 

hmml2Er hat sie auch gesehen – sie sind wahnsinnig vor Gier und Glück. In voller Fahrt fliegen sie in die schwülen Kelche, rosa vor Aufregung und wühlen sich in den üppigen Pollen. Oben und unten, Schwerkraft spielt keine Rolle mehr, sie wälzen sich in der Paste, sie klebt ihnen am Pelz und sie können nicht genug davon kriegen. Ich löse mich vom Anblick wohliger Wärme und feinstaubverklebter Fühler, fahre dorthin, wo sich schwarzglänzende Früchte schwer über die Dornen neigen. Ich will sie alle.

Ganz hinten oben hängen die besten.

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Sie sind schwer erreichbar. Ich wuchte mein Fahrrad ins Gebüsch und steige darauf auf. Es schwankt in der Hecke. Jetzt bin ich mindestens Einmeterzwanzig größer und sehe aus wie eine dieser Puppen, die im Karneval auf Stelzen laufen. Mein Gesicht eine Maske, beerensaftverschmiert der Mund, rote Spritzer auf der Haut, Spinnweben in den Haaren. Hexe. Ich glaube das hat gestern ein früher Gassigeher geflüstert, als er über meine Tupperdosen gestolpert ist. Ich schenke ihm ein schreckliches Grinsen und geschwind zieht er seinen Grauhaardackel weg. Wenn die Eimer voll sind, meine Arme zerkratzt, die Fingernägel und Hosenbeine eingerissen, fahre ich wieder nach Hause, wo der Geliebte noch schläft. Gut. Sähe er mich so wäre er nicht mehr sicher.

hmml6Später bewundert er die sauberen Gläser dunkellila Gelee, schmeckt die erdige Süße und leckt die Tropfen vom Tisch.

 

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